Zu Beginn des 20ten Jh. lebt der japanische Autor Nastume Soseki in Tokyo, lehrt Literatur an der Kaiserlichen Universität und bereitet sich auf ein neues Buch unter dem Arbeitstitel "Botchan" vor, das sich mit den kulturellen Umbrüchen in der Meiji-Periode befassen soll.
Doch so recht vorrangehen will es mit seinen Vorbereitungen scheinbar nicht und so verbringt der Meister seine Zeit ganz gern zusammen mit seinen Studenten und anderen jungen Männern in Bierhallen und trinkt dort gerne einmal einen über den Durst.
So ziehen sich die Tage, Wochen und Monate dahin und Soseki begegnet immer wieder anderen berühmten Gestalten der Zeitepoche und wird Zeuge großer kultureller, gesellschaftlicher, politischer, usw. Veränderungen.
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"Times of Botchan" bildet einen Wendepunkt in der Kariere von Jirô Taniguchi ( Vertraute Fremde, Der spazierende Mann), weg von eher klassischen Detektiv- oder Sportgeschichten, hin zu ruhigeren und auch anspruchsvolleren Geschichten.
In dieser ersten hier versucht er auch gleich, zusammen mit Autor Natsuo Sekikawa, nichts Geringeres als ein umfassendes Bild Japans zur Meiji-Zeit zu zeichnen. Als Ausgangspunkt für seine Geschichte nehmen sie sich dabei den realen Schriftsteller Soseki Natsume um aufbauend auf einem Teil seiner Biografie (eben die Zeit in der er sein Werk Botchan schrieb) einen großangelegten Rundumblick über alle möglichen historisch, kulturell oder anders wie relevanten Personen und Ereignisse dieser Zeit zu geben.
In wie weit sie dabei streng realitätsverbunden vorgegangen sind oder ob doch hinter den vermeintlich historischen Fakten zum Teil auch eine ordentliche Portion Fantasie steckt kann ich an dieser Stelle nicht wirklich sagen. Leider sieht die Veröffentlichungssituation des Manga nicht so gut aus.
Ist auf Deutsch bisher gar nichts davon auch nur in Sicht, so sind zumindest vier Bände auf Englisch erschienen, die wohl ungefähr den zwei ersten Bänden der 5teiligen japanischen Ausgabe entsprechen. Davon erschien der vierte wohl allerdings bereits im Jahr 2006 und seit dem ist nichts mehr nachgekommen, was wohl bedeute dass man diese Ausgabe, zumindest fürs erste, als Eingestellt betrachten darf. Auf der Webseite des Verlages finden sich auch keine aufklärenden Worte.
Aber zurück zum Manga an sich und den vier verfügbaren Bänden.
Zumindest vermuten kann man, denn so gibt gleich im ersten Band ein Interview mit Fusanosuke Natsume, dem Enkel Sosekis, in welchem dieser sich z. B. nicht daran erinnern kann je davon gehört zu haben das sein Großvater je derart getrunken hätte und schon gar nicht sich in Trinkhallen geprügelt. Derartige Details wären wohl rein fiktiv und zur besseren Ausgestaltung der Geschichte.
Also gehe ich mal davon aus das man es hier entsprechend nicht zu genau nehmen sollte und das vermitteln des allgemeinen Lebens der Epoche über einer biografisch exakten Schilderung einzelner Personen stand.
Im weiteren Verlauf der ersten vier Bände lernt Soseki dann noch einige interessante Figuren dieser Zeit kennen, darunter u. a. Literatur-Kollegen wie Lafcadio Hearn oder Mori Ogai, aber auch aus allen möglichen anderen Bereichen, politische Aktivisten oder auch berühmte Sportler.
Mori Ogai widmet er sogar eine ziemlich große Nebengeschichte, in der die wahren Hintergründe seiner berühmten Erzählung Die Tänzerin beschrieben werden und die sich über die gesamten Bände drei und vier hinzieht.
In wie weit es auch hier wieder mit der historischen Korrektheit her ist, die Frage bleibt wieder offen. Zumindest in Grundzügen ist sie aber richtig, das lässt sich im Nachwort von Ogais Buch nachlesen.
So sind dann die ersten vier Bände auch schon wieder vorbei und eine abschließende Bewertung von "Times of Botchan" fällt mir schwer.
Einerseits ist die Geschichte natürlich sehr interessant, sie vermittelt mannigfaltige Eindrücke Japan zu Beginn des 20ten Jh., andererseits fällt es durch die vielen auftretenden Personen und die damit einhergehenden Begebenheiten schwer eine konsistente Geschichte zu erzählen und für mich als Leser vor allem die Übersicht zu behalten.
Es ist kaum Möglich abzuschätzen wie sich das Ganze wohl weiter entwickelt hat.
Eher ein Durcheinander wie in den ersten beiden Bänden oder vielleicht ein Abfolge von längeren, in sich geschlossenen, Geschichten wie die rund um die Tänzerin in Band drei und vier?
Letzteres wäre sicherlich angenehmer zu lesen, bietet aber weniger Raum für möglichst viele zusätzliche Infos.
Ob so oder so, Taniguchis zeichnerische Qualitäten waren auch damals auf jeden Fall schon unbestritten und selbst zwischen der dichtgepackten Geschichte findet er Raum für ein paar Panelabfolgen voll Ruhe und stiller Beobachtung.
Bleibt zu hoffen das sich irgendwann die Chance ergibt mehr von "Times of Botchan" zu lesen, wenn sich doch noch mal ein mutiger Verleger findet der dieses Werk in Deutsch oder Englisch herausbringt. Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.
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