Mit 13 Jahren kommt für eine jede Hexe die Zeit, da sie ihre Familie verlassen und ein Jahr lang auf eigenen Beinen stehen muss.
Auch für Kiki ist es soweit und sie freut sich schon sehr auf das ihr bevorstehende Abenteuer. An eine Stadt am Meer will sie. Was sie dort tun will weiß sie noch nicht so recht. Außer Fliegen hat sie noch nichts gelernt. Aber sie ist voller Zuversicht und macht sich in einer Vollmondnacht auf den Weg.
In der Stadt ihrer Wahl angekommen läuft allerdings erst mal einiges schief. Die Stadt tickt doch um einiges anders als das eher beschauliche Leben auf dem Land. Viele Menschen, viele Autos, wenig Zeit. Ein Zufall bringt sie schließlich zur Bäckerei von Osono, der sie aus einer kniffligen Lage hilft. Zum Dank bietet sie Kiki ein Zimmer an und einen Aushilfsjob in ihrer Bäckerei. So ist der Tag doch erst einmal gerettet.
Und auch eine Aufgabe findet sich für Kiki. Da sie nur fliegen kann, macht sie eben das zu ihrem Beruf und gründet einen Lieferservice. Als Geschäftstelle bietet ihr Osono ihr gleich ihre Bäckerei an, so das auch das Problem gelöst ist.
Ihre ersten Aufträge erledigt Kiki auch, trotz einiger Schwierigkeiten, zur vollsten Zufriedenheit der Kunden und mit Tombo lernt sie sogar einen netten Jungen kennen.
Doch plötzlich taucht ein Problem nach dem anderen auf und alles scheint den Bach hinunterzugehen, als Kiki auch noch ihre magischen Kräfte verliert.
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"Kikis kleiner Lieferservice" war Miyazakis vierter Film für das von ihm und Isao Takahata (der hier die Musik Regie übernahm) gegründete Studio Ghibli. Dabei war der Film eigentlich als Nachwuchsprojekt innerhalb des Studios gedacht. Doch unzufrieden mit dem ihm vorgelegten Drehbuch übernahm Miyazaki das Projekt am Ende doch selber und schrieb nicht nur das Drehbuch neu, sondern übernahm auch gleich noch die Regie. Als Vorlage diente dabei ein japanisches Kinderbuch namens "Majo no Takkyuubin", allerdings nahm Miyazaki einige Änderungen vor, was die Autorin des Buches nicht gerade erfreute und fast zum Scheitern des Projekts geführt hätte.
Am Ende einigten sich beide Seiten aber glücklicherweise und Miyazaki konnte den Film so umsetzten wie er es wollte.
Die Originalgeschichte rund um die kleine Hexe nimmt er sich dabei als Aufhänger für eine universelle Geschichte rund um das erwachsen werden und auf eigenen Füßen stehen. Es ist auch eine Geschichte darüber das Arbeit oft hart sein kann, es sich aber lohnt sich auch durch harte Zeiten zu kämpfen und dieses auch belohnt wird.
Wenn Kiki von zu Hause aufbricht, ist sie noch voller Hoffnung und Vorfreude. Kein Gedanke daran das etwas von dem was sie sich vorgenommen hat nicht klappen könnte. Die Ernüchterung kommt schnell in der großen Stadt und erste Frustration und Enttäuschung macht sich breit. Dennoch bleibt sie freundlich und hilfsbereit, was am Ende positiv auf sie zurück fällt und sie ihre erste kleine Krise schnell überwinden lässt. In der folgenden Zeit tauchen zwar immer wieder kleinere Probleme auf, aber im Großen und Ganzen läuft alles gut und die Zukunft scheint gesichert. Doch beginnt mit der Zeit, und dem Abklingen der ersten Euphorie über das neue Geschäft, die Einsamkeit und Unsicherheit an ihr zu nagen. Ihr bester Freund, ihr schwarzer Kater, findet eine neue Liebe und ist meist bei der. Auch Kiki findet einen Freund, doch ihre Arbeit und auch ihre Schüchternheit machen es ihr schwer sich ihm oder gar seinen Freunden gegenüber zu öffnen. Sie fällt in eine echte Krise.
Doch hat sie, auch wenn sie es in diesem Moment verdrängt, genug Freunde, die für sie da sind und ihr helfen diese schweren Zeiten zu überwinden.
Diese wunderbare Geschichte erzählt Miyazaki auf die ihm eigene wunderschön warme und herzliche Weise. Mal mit Humor (einfach herrlich die Szene in der die kranke Kiki im Bett liegt und schwach unter ihrer Decke hervor wispert: "Muss ich jetzt sterben Osono?"), mal auch mit Traurigkeit (wenn sie plötzlich realisiert das sie nicht mehr mit ihrem Kater sprechen kann), aber immer packend und fesselnd. Das junge Alter Kikis ist dabei vielleicht auch als kleine Kritik am immer größeren Leistungsdruck, der auch immer jüngeren Kindern lastet, gedacht. Die Worte der Großmutter zu Beginn lassen auch etwas derartiges vermuten. Man könnte sie aber auch als Anspielung darauf wie schnell die Zeit vergeht und wie schnell die Kinder groß werden verstehen. Das sei jedem selbst überlassen. Vielleicht vereinen sie ja auch beides in einem.
Seine mitreißende Wirkung verdankt "Kikis kleiner Lieferservice" dabei auch wieder seinen unglaublich sympathischen Charakteren, die ein Grundstein eines jeden Miyazaki Films sind. Ob nun Kiki und Tombo, die Bäckerin und ihr wortkarger, aber herzensguter Mann, die nette alte Dame oder die junge Künstlerin in ihrer abgelegenen Waldhütte. Sie alle sind Figuren die man einfach gern haben muss. Freundliche, offen Menschen bei denen Kiki halt und Liebe findet.
So bietet dieser Film auch nicht nur den jüngeren etwas, sondern auch die älteren Semester dürften sich in der Geschichte wiederfinden können. Vielleicht sogar noch etwas mehr als die Kinder. Auch dieses Phänomen ist ein fester Bestandteil von Miyazakis Werken.
Präsentiert wird all das in den Ghibli typischen, wunderbaren Bildern. Die Zeichnungen sind, nicht nur für die damalige Zeit, herausragend. In der wunderschön gestalten Stadt kann man sich besonders als Europäer auch wunderbar wiederfinden. Miyazaki hat ja einen ausgesprochenen Spleen für diese "europäische" Bauweise und reiste mit seinem Team extra nach Schweden um sich Anregungen für das Design zu holen. Auch die Figuren sind durchweg gut gemacht. Der Stiel ist vielleicht nicht der aufwendigste und detaillierteste, aber dafür sehr sympathisch und "auf den Punkt gebracht". Viel Detailarbeit hat man dafür bei der Umgebung geleistet. Man nehme nur mal die Szene in dem Supermarkt. Will man sich dort wirklich alles ansehen kommt man gar nicht drum herum die Pause Taste zu betätigen und sich etwas Zeit zu nehmen.
Auch was die Animationen angeht wurde ordentlich Arbeit hingelegt. Aus heutiger Sicht wirken manche Szenen vielleicht doch schon etwas "stillstehend" und verglichen mit derzeitigen State of the Art Produktionen (auch den aktuellen Ghibli Filmen) kann man doch schon kleinere Schwächen ausmachen, aber trotzdem sind sie sehr weich und fließend und auch nach heutigen Maßstäben noch recht zahlreich. Da kommen selbst heute noch viele kleine und mittlere Produktionen mit viel weniger aus. Für die damalige Zeit war es freilich das Beste.
Wunderbar ist auch wieder die musikalische Untermalung, für deren gezielten Einsatz Ghibli Mitbegründer Takahata verantwortlich zeigt und die vom Haus- und Hofkomponist Joe Hisaishi stammt, der die meisten großen Ghibliklassiker (u.a. Nausicaa, Laputa, Chihiro, Mononoke, Howl's) mit seiner immer passenden Musik veredelte.
Das alles macht "Kikis kleiner Lieferservice" zu einem weiteren unvergesslichen Edelstein in der Ghibli Schatzkiste. Ein weiteres Geschenk dieses begnadeten Regisseurs Miyazaki an uns, und ein weiterer Grund für uns diesem Mann dankbar zu sein.
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