In seiner Eigenschaft als Vertreter einer Versicherungsgesellschaft kommt Tsuda viel in der Stadt herum. Ansonsten ist sein Leben aber eher langweilig und auch in der Beziehung mit seiner Frau Hizuru scheint die Liebe schon lang einer eher sachlichen Nüchternheit gewichen zu sein.
Das ändert sich allerdings, als er eines Tages seinen alten Freund Kojima wieder trifft.
Der hat inzwischen das Versprechen, dass sich beide nach einem tragischen Vorfall während ihrer Schulzeit gegeben haben, wahr gemacht und ist Profiboxer geworden.
Tsuda hingegen hat nach der Schule gekniffen, was ihn Kojima nie verzeihen konnte.
Prompt beginnt er auch gleich Tsudas Frau zu umgarnen und sich mit seinem alten Schulfreund anzulegen. Dabei eskaliert die Situation zwischen den dreien immer mehr und schlussendlich beginnt Tsuda, während seine Frau einem extremen Piercingfetisch verfällt, mit dem Boxen anzufangen, um sich mit Kojima messen und ihn töten zu können.
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Wer bereits den ein oder anderen Film von Regisseur Shinya Tsukamoto kennt, der weiß das dessen Werke kaum mit normalen Mitteln zu bewerten sind. "Tokyo Fist" bildet da keine Ausnahme.
Was Tsukamoto hier, kurz nach seinen wohl bekanntesten Filmen "Tetsuo" und "Tetsuo 2", hingelegt hat, steht diesen, trotzt etwas bodenständigerer Story, im Grunde in nichts nach.
Nicht nur das die typischen Stilelemente wie hektische Schnitte, unterlegt von hämmernden Elektrosounds, und die typische, hektisch - verwackelte Handkamera wieder exzessiv zum Einsatz kommen. Auch die Geschichte selber flüchtet schon bald vor jeglicher rationaler Ebene in deutlich surreale und metaphorische Gefilde. Sie sinnvoll zusammenzufassen oder zu erklären fällt dementsprechend enorm schwer, oder ist eigentlich sogar eher unmöglich. Man kann höchstens deuten, versuchen etwas aus dem Film herauszulesen.
Tsuda scheint jedenfalls ein sehr zweifelnder und schwacher Mensch zu sein.
Von seinen Arbeitskollegen lässt er sich unterbuttern und seine Frau hasst er für ihre Attraktivität und vor allem dafür, dass sie diese auch gerne zeigt. Er fühlt sich unsicher und minderwertig und lässt die Ängste die er deswegen hat z.B. an seiner Frau in vorm von Eifersucht aus.
Die wiederum scheint auch nicht glücklich mit der Rolle der biederen Hausfrau zu sein, in der sie vor allem ihr Mann gern sehen würde. Sie möchte lieber ausbrechen, aus den traditionellen Konventionen der zurückhaltenden und eher zugeknöpften japanischen Ehefrau. Sie will mehr Leben und zeigen das sie immer noch einiges zu bieten hat. Sie will sich spüren.
Tsudas alter Freund Kojima bildet quasi den Zündfunken, der die "heile" Welt des Ehepaares zersprengt und sie damit daraus befreit.
Fortan geht der Film einen Weg der absoluten Extreme.
Hizuru beginnt, getrieben von der Eifersucht ihres Mannes, eine Liaison mit Kojima, von dem sie das zu kriegen erhofft, was ihr Mann ihr scheinbar nicht geben kann. Zusätzlich beginnt sie ihren Körper neu zu fühlen, indem sie sich Tätowieren lässt und sich immer extremere Piercings in Eigenarbeit verpasst.
Tsuda hingegen sieht in Kojima seinen Rivalen um seine Frau und endlich findet er die Kraft mal aus der Rolle des hilflosen Opfers auszubrechen. Nicht länger will er sich wehrlos schikanieren lassen. Zurückschlagen will er endlich, und geht, um diese Ziel zu erreichen, ebenfalls in den Boxverein.
Dies wiederum ist das Ziel Kojimas, der sich endlich an Tsuda dafür rechen möchte, dass dieser nicht wie versprochen nach der Schule mit ihm Boxer wurde, um den Tod eines Mädchens zu rächen.
Wer jetzt aber glaubt mit diesem kurzen Abriss der Charaktere den Film durchschaut zu habe, der irrt. So einfach lässt sich Tsukamoto nicht in die Karten kucken und schon gar nicht sein Film erklären. Dazu sind Tsukamotos Symbole viel weitergehender und komplizierter.
Erschwert wird dem Zuschauer das ganze auch noch dadurch, dass der Film einem kaum an den Figuren und seiner Geschichte teilhaben lässt.
Gefühlsmäßig ist der Film z. B. die gesamte Zeit so kalt wie seine blau gefilterten Bilder. Eine wirkliche Verbindung zu einer der Figuren kommt eigentlich nie auf und der Zuschauer erhebt sich nie aus dem Rang eines bloßen Betrachters.
Der Film verschließt sich, durch sein meist irreales Ambiente, selbst vor seinem Publikum. Macht sich durch unwirkliche Szenenausleuchtungen (ganz stark in der Wohnung des Ehepaars), verstörenden Szenen, die zum Teil wie aus einem Horrorfilm wirken, oder sonstigen metaphorischen Spielereien, wie die verwackelten Stadtaufnahmen oder das Hitzeflimmern, und seinen ebenso weltfremd klingenden Sounds selbst schwer erschließbar und zu einem anstrengenden Filmerlebnis.
Halt ganz so wie man es von Tsukamoto Filmen gewohnt ist.
Ungewohnt hingegen ist, dass der Regisseur auch noch selbst den Hauptdarsteller mimt, aber auch das hat ein Tsukamoto drauf und spielt seine Rolle dabei auch gar nicht schlecht. Wobei der Film aber auch so überzogen ist, dass die Herausforderung an die Glaubwürdigkeit der Darsteller nicht sooo groß ist. So können auch Tsukamotos Bruder Kohji und Kahori Fujii in ihren comichaft übertriebenen Rollen überzeugen.
So bleibt mir zum Abschluss nur noch zu sagen, dass "Tokyo Fist" sicherlich ein Film für ein eher kleineres Publikum ist. Der gemeine Kinogänger dürfte sich mit dem sehr experimentellen und surrealen Stil eher schwer tun und auch eher zarte Gemüter dürfte die Bluthaltigkeit des Films eher abschrecken.
Wer aber schon mit der Arbeit Tsukamotos vertraut ist oder generell auf schräge und eher schwerzugängliche Filme steht, der ist hier richtig aufgehoben. Hier findet er ungewöhnliche Bilder und eine Geschichte die zu vielfachen Interpretationen einlädt. Ein Film über den sich auf jeden Fall diskutieren lässt und der das Potential dazu hat zu schockieren und zu polarisieren.
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