Der Fotograph eins berühmten Fotos über den Atombombenabwurf in Hiroshima entdeckt dir furchtbare Wahrheit über das Foto das er geschossen hat. Ein Geschäftsmann soll in Rente geschickt werden, ist aber gar nicht davon begeistert seine ganze Zeit zukünftig mit seiner verhassten Ehefrau und den Kinder zu verbringen und verschleudert stattdessen lieber seine Pension und seine Ersparnisse mit Prostituierten und Glückspiel. Ein anderer Mann hat genug vom Leben in der Großstadt und fühlt sich überall von Geiern verfolgt die auf seinen Tod lauern, um seine Leiche zu fressen. Ein Familienvater hat sich in eine einsame Hütte im Wald abgeseilt und kämpft dort mit einem seltsamen Ausschlag, während ein Schüler etwas schockierendes über einen sehr zurückhaltenden Klassenkammeraden herausfindet. Ein einsamer Sexshowbesucher zieht durch die nächtliche Stadt und eine junge Frau abreitet als Hostess während sie darauf wartet das ihr Geliebter aus dem Gefängnis entlassen wird. Ein älterer Mann mit einem Fetisch für Frauenschuhe fragt sich nach dem Sinn seines Lebens und ein Vater hadert kurz nach dem Krieg mit den laxen Beziehungen zwischen jungen japanischen Frauen, im besonderen seiner Tochter, und den amerikanischen Besatzungstruppen.
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Im dritten Band seiner Yoshihiro Tatsumi Reihe widmet sich Drawn & Quarterly nun nicht mehr nur einem, sondern zwei Jahren im Schaffen des bedeutenden Mangakas und präsentiert neun Kurzgeschichten die zwischen 1971 und 72 in verschiedenen japanischen Magazinen erschienen sind. (u. a. in dem, zu dieser Zeit, sehr angesehenen Mangamagazin "Garo", aber auch z. B. im japanischen Playboy)Die erzählten Geschichten haben sich dabei sichtlich weiterentwickelt. Zwar herrscht immer noch die typische düstere Atmosphäre und das Thema der Großstadt und ihrer dunklen Seiten vor, aber ging es in den beiden vorangegangenen Bänden meist einfach nur um die Irrwege von Großstädtern am unteren sozialen Rand, so betritt Tatsumi nun mit Geschichten wie "Hell" über einen Fotografen der mit einem Bild über die Auswirkungen des Atombombenabwurfs in Hiroshima berühmt wird oder mit der abschließenden Geschichte "Good-Bye", die von den Verhältnissen kurz nach Kriegsende und besonders über die Beziehung der jungen japanischen Frauen und den stationierten amerikanischen Soldaten erzählt, auch politischen Boden und skizziert die gesellschaftlichen Verhältnisse im Japan der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit.
Natürlich kommen trotz dem seine klassischen, persönlicheren Motive nicht zu kurz. Mit Episoden über Frauenschuhfetisch und damit verbundene Selbstmordphantasien oder einfach nur der Einsamkeit und Suche nach Liebe und Erotik eines Mannes in der Hektik der Großstadt liefert er auch weiterhin seine klassische Geschichten. Aber auch hier geht er neue Wege, macht z. B. zum ersten mal eine Frau zur Hauptperson einer Geschichte und nicht mehr nur seine typischen, wortkargen Männer.
Ebenfalls neu sind die nun nicht mehr nur einfach offenen, sondern teilweise mit einem recht gemeinen Twist versehenen Enden seiner Geschichten. So scheint es jetzt hier und da durchaus so als würde sich schließlich doch noch alles zum Guten wenden, wenn der alte Mann in den Bergen nicht nur Gesellschaft durch eine junge Frau, sondern auch seinen schrecklichen Ausschlag und schließlich sogar seine Potenz wieder unter Kontrolle bekommt oder der vom Leben in der Großstadt zermürbte und sich von einem Geier verfolgt wähnende Mann schließlich zwar allein in einem nun verlassenen Mietshaus zurückbleibt, allerdings über die letzten Seiten schon fast bewundert bemerkt wie Pflanzen und Tiere das fast menschenleere Gebäude für sich erobern und quasi eine aufblühende Oase des Lebens in der Betonwüste der Großstadt bilden, die doch vielleicht auch für ihn die ersehnte Erlösung sein könnte. Doch dann reicht ein umblättern, ein letztes seitenfüllendes Panel und das Unheil ist zurück und größer und düsterer als zuvor. Regelrecht grauenvoll, in einem absolut positivem Sinne.
Gleichgeblieben ist, nach so vielen Veränderungen, allerdings Tatsumis typischer Zeichenstil, geprägt von einfachen, sich oft ähnelnden Figuren und seiner düsteren Bildsprache, frei von modernen Stilmitteln wie Rasterfolie oder dynamischen Panelfolgen- und anordnungen. Stattdessen herrscht Aufgeräumtheit und viel Tuschefüllung oder Schraffur, die dem Ganzen die schon erwähnte düstere Note verleiht. Für manschen modern-geprägten Mangafan mag das auf den ersten und zweiten Blick irgendwie langweilig oder altbacken rüberkommen, wenn man sich aber erst einmal darauf eingelassen hat dann ziehen einen Tatsumis Geschichten schnell in ihre dreckige Welt. Jeder Manga- bzw. Comic-Fan im allgemeinen, der gern in seelischen Abgründe abtaucht sollte hier unbedingt zugreifen.
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